Werkschau: Der Albumguide zu REO Speedwagon | Classic Rock (2024)

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Mit Powerballaden, die Geschichte schrieben, und noch einigem mehr wurden die Herren aus Illinois zu absoluten Giganten im goldenen Zeitalter des AOR.

In Großbritannien feierte die lauteste Band des Landes 1981 einen geschichtsträchtigen Triumph, als Motörhead mit NO SLEEP ’TIL HAMMERSMITH die Spitze der britischen Albumcharts erreichten. Doch auf der anderen Seite des Atlantischen Ozeans dominierte eine wesentlich feinere Form der Rockmusik. Es war der Zenit des Adult Oriented Rock, der Alben wie ESCAPE von Journey, 4 von Foreigner, PRECIOUS TIME von Pat Benatar und PARADISE THE­ATER von Styx auf den Thron der US-Charts steigen ließ. Doch kein Album war größer als HI INFIDELITY von REO Speedwagon, erschienen im November 1980, das satte 15 Wochen lang auf Platz 1 stand.

Für REO Speedwagon war dieser Erfolg keineswegs über Nacht gekommen. Die Band war schon 1967 in Champaign, Illinois gegründet worden und hatte ihren Namen dem alten Lieferwagen von Keyboarder Neal Doughty entliehen. Das Debütalbum – verwirrenderweise R.E.O. SPEEDWAGON betitelt – erschien 1971 und neben Doughty war damals nur noch Schlagzeuger Alan Gratzer von der Originalbesetzung übrig geblieben. Dazu kamen Gary Richrath an der Gitarre, Greg Philbin am Bass und Terry Luttrell als Frontmann. Die Line-up-Wechsel, die folgen sollten, waren noch konfuser.
Auf dem zweiten Album R.E.O./T.W.O. hatte Kevin Cronin als Sänger übernommen, doch nachdem er sich auf Tournee die Stimmbänder ruiniert hatte, wurde er für RIDIN’ THE STORM OUT (1973) durch Mike Murphy ersetzt. Erst nach zwei weiteren Platten mit Murphy, die beide floppten, kehrte Cronin zurück.

Und ab diesem Zeitpunkt waren es er und Richrath, die den alten Lieferwagen auf die Überholspur brachten. HI INFIDELITY wurde das Album, das ihre Karriere definieren sollte. Cronins ›Keep On Loving You‹ wurde zu einem Nr.-1-Hit und auch Richraths ›Take It On The Run‹ stürmte die Charts. Cronin gelang das Kunststück 1985 noch einmal mit ›Can’t Fight This Feeling‹, doch die guten Zeiten konnten nicht ewig währen. Nach Gratzers Ausstieg 1988 und Richraths Weggang ein Jahr darauf kamen keine Hits mehr. Das Line-up der Band ist seither unverändert mit Cronin, Doughty und Bassist Bruce Hall, der seit 1977 an Bord ist, ergänzt um Gitarrist Dave Amato und den Schlagzeuger mit dem passenden Na­­men Bryan Hitt.

Traurigerweise verstarb Gary Richrath am 13. September 2015. Zwei Tage später begann Cronin ein REO-Konzert mit einer Lobrede. Er erinnerte sich: „Ich spürte, dass Gary irgendwo da oben war, auf mich hinunter blickte und sagte: ‚Cronin, halt’s Maul und rocke diese Leute!‘“

Es war so passend wie lustig: eine gelungene Hommage von Cronin an den Mann, mit dem gemeinsam er so viel großartige Musik erschaffen hatte.

UNVERZICHTBAR

HI INFIDELITY
EPIC, 1980


Mit mehr als zehn Millionen Verkäufen allein in den USA ist dies REOs größtes Album sowie ihr bestes. Und nicht nur das: Es ist zudem ein zeitloser Klassiker des AOR. Seinen Erfolg verdankte es zwei der wohl bittersten Liebeslieder, die je geschrieben wurden. In der lieblich klingenden Powerballade ›Keep On Loving You‹, eine millionenfach verkaufte Nr. 1 in den USA, verglich Cronin eine Ex-Freundin mit einer Schlange, „all coiled up and hissin‘“. Der andere große Hit ›Take It On The Run‹ lieferte mit seiner schönen Melodie ebenfalls ein emphatisches „f*ck you!“ ab. Weitere tolle Tracks wie der Rock‘n‘Roller ›Don‘t Let Him Go‹ waren hier auch zu finden, doch diese beiden so hintergründig gallenbitteren Songs definierten REO, und den AOR als solchen, einfach perfekt.

NINE LIVES
EPIC, 1979


Richrath gab für das neunte Album der Band den Ton mit einer einfachen Devise vor. „Gary fand, dass wir etwas mehr rocken sollten“, so Cronin. Der Gitarrist bekam seinen Willen: Auf dieser Platte waren sie wesentlich härter. Ein Ansatz, der zwar keine Hitsingles hervorbrachte, aber eine richtig heiße Rockscheibe. ›Heavy On Your Love‹ ist der dreckigste Song, den REO je aufnahmen. Das setzt sich fort in rifflastigen Stücken wie ›Only The Strong Sur­vive‹ und ›Take Me‹. Und am Ende gibt es schließlich noch ›Back On The Road Again‹, eine von Bassist Bru­ce Hall geschriebene und gesungene Hymne, veredelt durch Richraths furiose Gitarrenarbeit.

WUNDERBAR

LIVE: YOU GET WHAT YOU PAY FOR
EPIC, 1977


Als Cronin nach vier Jahren Pause 1976 zur Band zurückkehrte, stand der Titel des kommenden Albums – R.E.O. – für eine Wiedergeburt. Es floppte zwar, doch der Nach­folger, ein Live-Mitschnitt auf Doppel-LP, schlug besser ein. Dies war ihre erste richtig großartige Platte und ein prägendes Statement, das Cronin als wahre Stimme der Band etablierte. Unter reichlich Boogie-Rock – anfangs ihr bevorzugtes Territorium – war es sein ›Keep Pushin‘‹, das den Weg in die Zukunft wies. Auf ›Ridin‘ The Storm Out‹ hob ein grandioser Sänger einen guten Song auf ein ganz neues Niveau.

YOU CAN TUNE A PIANO, BUT YOU CAN’T TUNA FISH
EPIC, 1978


Es war ein schlimmer Kater, der Cronin den Titel ihres ersten Top-30-Erfolgs eingab. Der Frontmann erklärte: „Joe Walsh hatte sein Album THE SMOKER YOU DRINK, THE PLAYER YOU GET genannt und damit die Türen für verrückte Plattentitel geöffnet.“ Tatsächlich gab es aber wenig zu lachen. REO brauchten unbedingt einen Hit und retteten so ihre Karriere. Die beiden Singles wurden zu Ever­greens: ›Roll With The Changes‹, eine beseelte Heavy-Rock-Nummer, sowie ›Time For Me To Fly‹, ein bittersüßer Abschied an Cronins erste Liebe.

GOOD TROUBLE
EPIC, 1982


Kontext ist alles. GOOD TROUBLE, der Nachfolger von HI INFIDELITY, hielt dem Ver­gleich nie stand. Es fand zwei Millionen Käufer, ist aber bis heute das unterschätzte Album der Band. ›Keep The Fire Bur­nin‘‹, die erste Single und der einzige nennenswerte Hit, knistert vor Energie. Das Titelstück ist kein bisschen weniger heavy als alles auf NINE LIVES. Auf ›The Key‹ wird Cronin existenzialistisch und Doughty klimpert dahin, als sei er bei Lynyrd Sky­nyrd. Doch am besten ist ›I‘ll Follow You‹, die Geschichte einer geheimnisvollen Cajun-Schönheit, dargeboten mit dramatischer Intensität.

WHEELS ARE TURNIN’
EPIC, 1984


Das Vorspiel war nicht gut: ›I Do‘ Wanna Know‹, die erste Single, schaffte es nur auf Platz 29 in den USA und galt als Flop. Doch mit der zweiten Single landeten REO ihren größten Hit. ›Can‘t Fight This Feeling‹ war 1985 drei Wochen lang die Nr. 1 in den USA und gilt auch über 30 Jahre später als eine der größten Powerballaden aller Zeiten. Das Album hatte seine Schwächen, etwa das dürftige ›Break His Spell‹, doch mit dem Megahit sowie ›Live Every Moment‹ bewiesen Speedwa­gon einmal mehr, dass sie die Meister des hochwertigen Me­­lodic Rock waren.

ANHÖRBAR

RIDIN’ THE STORM OUT
EPIC, 1973


Anfang der 70er steckten REO in einer Krise. Auf sechs Alben hatten sich drei Sänger die Klinke in die Hand gegeben. Es war eine turbulente Zeit, kristallisiert in einer Platte, die mit einem Frontmann begonnen und mit einem anderen fertiggestellt wurde. Cronin, dessen Stimme nach langer Tour Scha­den genommen hatte, wurde während der Aufnahmen gefeuert. Nachfolger Mike Murphy spielte neue Gesangsparts ein. Cronin: „Das Artwork war be­­reits fertig, also airbrushten sie mich raus und fügten Murphy ein.“ Er hatte nie die Klasse von Cronin, doch dies ist die beste REO-Platte jener Zeit.

LIFE AS WE KNOW IT
EPIC, 1987


Der Titel entbehrte nicht einer gewissen Ironie. Dies war das Ende einer Ära für REO, das letzte Album mit Richrath und Gratzer und das letzte, das in den USA die Top 40 erreichte. Einerseits war alles beim Alten. Die beiden besten Stücke, beides Top-20-Hits, bewiesen einmal mehr Cronins Klasse als Autor und Sänger: ›That Ain‘t Love‹, eine essenzielle AOR-Hymne der 80er, und ›In My Dreams‹, eine perfekt konstruierte Ballade. Doch ›One Too Many Girlfriends‹, in dem Cro­nin kaum verhüllt Beleidigun­gen gegen Richrath abfeuerte, legte die Risse innerhalb der Band of­­fen. Es sollten viele Jahre vergehen, bevor sie sich versöhnten.

FIND YOUR OWN WAY HOME
SPEEDWAGON RECORDINGS/MAILBOAT, 2007


2015 sagte Cronin zu CLASSIC ROCK: „Ich schreibe immer noch ziemlich coole Sachen. Ich denke, wir werden irgendwann noch eine Platte machen.“ Doch seit dem letzten Album mit neuem Material sind zwölf Jah­re vergangen. FIND YOUR OWN WAY HOME schaffte es in den USA erst gar nicht in die Charts, doch die besten Stücke erinnern an frühe Glanztaten: ›Smilin‘ In The End‹ war eine räudige Rocknummer, während das Titelstück AOR mit einem Hauch von Nashville verband und ›I Needed To Fall‹ eine geniale neue Powerballade darstellte. Es wäre ein würdiges Ende für REO Speedwagon gewesen.

SONDERBAR

NOT SO SILENT NIGHT… CHRISTMAS WITH REO SPEEDWAGON
SONY/LEGACY, 2009


Ein noch schlimmeres Weih­nachtsgeschenk als Socken. Es gibt durchaus großartige Fest­tagssongs von Rockbands – von Slade zu The Darkness –, doch REO hatten keinen. Stattdessen überarbeiteten sie einen Haufen Weihnachtsstandards und fügten noch eine entsetzliche Ver­sion von John & Yokos ›Happy Xmas (War Is Over)‹ hinzu. ›Winter Wonderland‹ spielten sie als Quo-esken Boogie-Shuf­fle, ›God Rest Ye, Merry Gentle­man‹ verpassten sie ein AOR-Facelift. Natürlich sollte die Sache nur ein Spaß sein, war aber leider alles andere als das.

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